Der Bayerische Umweltminister Markus Söder (O-Ton), zugeschaltet im Tagesgespräch in Bayern 2 am 10.11.2008 zum Thema Atommüll-Endlager:

Moderatorin: „(...) Neu aufgeflammt ist die Debatte `Wo soll ein Endlager sein?` - vielleicht auch in Bayern, können Sie sich das vorstellen?“

Söder: „Es hat ja eine intensive Debatte drüber gegeben schon vor über zwanzig Jahren was der geeignete Standort sei. Damals übrigens hat auch Strauß mit Albrecht, die beiden Ministerpräsidenten, darüber gestritten und dann hat man sich für Gorleben entschieden, weil es die technisch beste Voraussetzung hatte und dann ist seit der Zeit über 1,5 Milliarden Euro investiert worden auf Kosten der Stromzahler, der Steuerzahler. Deswegen sagen wir, dass es jetzt darum geht eigentlich ein Endergebnis zu schaffen. Denn wenn man schon so viel Geld investiert hat, wenn man sozusagen ein Richtfest gefeiert hat, das auch wissenschaftlich bestätigt gute Ergebnisse bringt, dann macht es keinen Sinn einen neuen Hausplan und –bau vorzunehmen. Und deswegen sagen wir ist Gorleben jetzt der richtige Ansatz. Und deswegen sind wir dafür, dass diese Entscheidung nicht aufgeschoben wird aus ideologischen Gründen, sondern aus praktischen Erwägungen endlich durchgeführt wird.“

M: „Herr Söder, aber jetzt zeigen ja diese Probebohrungen, die zwischen 1979 und 1999 in Gorleben durchgeführt worden sind, dass dieser Salzstock eben möglicherweise doch nicht so besonders gut geeignet ist, weil er ein instabiles Deckengebirge hat und weil es auch Kontakt zum Grundwasser geben kann. Also wenn es neue Erkenntnisse gibt, muss man dann nicht auch neu suchen, egal wieviel man vorher investiert hat?“

S: „Das wäre absolut richtig, allerdings ist es so, dass erst letzte Woche wieder der wissenschaftliche Beirat, der auch zuständig ist und auch in Beziehung steht zum Bundesumweltministerium, den Standort für absolut geeignet gehalten hat, das heißt also aus meiner Hinsicht ist die Entscheidung eigentlich wissenschaftlich klar fundiert. Da gibt es auch keine Alternativen. Und die Suche jetzt nach irgendwelchen Zwischenlagern ist ja der aus meiner Sicht wesentlich weniger sichere Bereich. Man hat ja gesehen wenn man immer wieder Zwischenlager macht, dann wird es weniger Sicherheit geben als wenn man ein geeignetes Lager etabliert und dort dann drauf konzentriert ist durchzusetzen. Und deshalb glaube ich dass es hier nicht um Wissenschaft geht, sondern ganz ehrlich gesprochen mehr um eine grundsätzliche, ideologische Ausrichtung. Denn das Bundesumweltministerium, Herr Gabriel oder Herr Müller, die haben natürlich eine grundsätzliche Energiephilosophie die heißt `Raus aus der Kernenergie`, aus meiner Hinsicht ohne quantifizierbaren Ersatz dafür, das geht nur über Strompreiserhöhungen oder über Kohle oder über den Import von Strom sagen wir aus Temelin oder Tschernobyl, was ich übrigens auch für unmoralisch halte, in Deutschland auszusteigen und Kernenergie unsichere woanders zu fördern.“

M: „Oder lieber alternative Energien, Herr Söder.“

S: „ Ja da sind wir ja sehr dafür. Sie wissen, dass wir in Bayern mit Abstand Spitzenreiter sind, also der Bund ist bei weitem nicht so weit wie wir, auch einzelne Bundesländer. Nehmen wir mal ein Vergleichsland wie Niedersachsen, in dem Herr Gabriel mal Ministerpräsident war, für kurze Zeit, kommen bei weitem nicht an die Werte hin, die wir in regenerativen Energiebereichen haben. Aber – man muss mal sehen bei regenerativen Energien im Vergleich zur Kernenergie. Wir decken über 60% unseres Strombedarfs aus der Kernenergie, wenn alles gut läuft kann man vielleicht mal 8, 9 %, vielleicht auch mal 10% schaffen mit regenerativer Energie. Das heißt: wenn sie dieselbe Menge auf kurze Frist ersetzen wollen, dann geht das entweder nur über massivste Strompreiserhöhungen, oder über den Einstieg in die Kohle, was klimafeindlich wäre oder eben über den Kauf von Strom zum Beispiel aus Temelin oder aus Tschernobyl.“

M: „Herr Söder, jetzt lassen Sie uns zurückkommen zur Frage des möglichen Endlagers. Wenn es denn nun Erkenntnisse gibt, dass es gerade in Bayern geologische Formationen gibt, die besonders geeignet sind, Atommüll zu lagern, können Sie sich das dann auch vorstellen, dass wir hier ein Endlager machen?“

S: „Wir haben doch jetzt ein Endlager. Schauen Sie, der Vorwurf den man so unterschwellig damit gemacht hat, die Bayern wollen sich um ihre Verantwortung drücken. Klar ist doch: Wir haben Kernenergie, wir haben Standorte, also es kann ja keiner sagen, dass sich Bayern nicht zur Kernenergie bekannt hat. Ein Teil des Aufstiegs des wirtschaftlichen von Bayern hängt eng mit der Kernenergie zusammen.“

M: „Jaja, wir haben Kernenergie, aber wir haben kein Lager in Bayern. Das ist ja der Vorwurf der dann kommt und sagt `Ihr wollt zwar die Kernenergie, aber ihr wollt kein Lager haben.`“

S: „Die vermeintlich die vermeintlich größere Gefahr der Sicherheitsstandards geht doch über den aktiven Betrieb, das ist doch die größere Herausforderung zunächst einmal. Also kann doch dieser Vorwurf, den in der Tat manche erwähnen – Sie referieren das ja quasi – den kann man leicht entkräften. Wir sagen, es gibt jetzt Geld das investiert wurde in ein sicheres Lager. Warum diesen Prozess jetzt stoppen, von Anfang an neu beginnen. Wissen Sie, ich vermute eben nicht das Motiv einer sachgerechten Lösung, sondern ein relativ erkennbares Motiv einer politischen Ideologie und deswegen wollen wir auch, dass man das nicht durchgehen lässt, denn es gibt wissenschaftlich keine andere Begründung, aber es gibt eine politisch motivierte und die können wir nicht durchgehen lassen.“

M: „Herr Söder, ein vielgebrachtes Argument ist `Solange man nicht weiß wohin mit dem Müll kann man eigentlich diese Technologie nicht weiter betreiben`.“

S: „Es gibt weltweit massive Bestrebungen, die Kernenergie auszubauen und fast alle Länder bis auf Deutschland setzen auf die Kernenergie als eine zumindest Übergangstechnologie.“

M: „Aber auch die anderen Länder haben das Problem mit dem Endlager nicht gelöst. Es gibt weltweit kein einziges.“

S. „ Es gibt eine intensive Debatte in jedem Land natürlich, wo die entsprechenden Elemente gelagert werden. Wir haben in Deutschland ein aus meiner Hinsicht und auch durch viele Gutachten wissenschaftlich fundierte Basis, dass Gorleben als Endlager absolut sicher funktionieren würde. Jetzt haben wir eben ein wissenschaftliches Gutachten das sagt Gorleben wäre ein geeignetes Lager, wir haben auf der einen Seite in der Tat schon viele Investitionen in diesem Bereich gemacht und wir haben drittens selbst wenn der Ausstieg so bestehen bliebe, wie es Rot-Grün beschlossen und auch nach wie vor daran festhalten will, haben wir die Herausforderung dass wir eine Lagerung brauchen. Diese jetztige Situation, diese vermeintliche Zwischenlagerung, an die gedacht wird, ist wesentlich unsicherer als ein Endlager. Insofern kann es auch eigentlich keine Alternative geben nach einer fundierten und auch rein fachlich begründeten Entscheidung.“

M: „Herr Söder, macht es Sie eigentlich nicht misstrauisch, dass Sie jetzt immer Gutachten zitieren, die Gorleben als geeigneten Standort qualifizieren, gleichzeitig es aber genausoviele Gutachten gibt, die genau das Gegenteil behaupten?“

S: „Gut, natürlich haben Sie recht, dass Misstrauen nie falsch ist, gerade in der Politik, das schadet überhaupt nicht, da haben Sie in der Tat recht. Und es schadet auch nicht, solche Gutachten immer wieder zu hinterfragen, da haben Sie auch völlig recht. Nur ich muss ja eine Entscheidungsbasis auf Dauer bekommen. Und die scheint aus Sicht der Mehrzahl der Experten eindeutig gesichert. Die Alternative vor allem die es gibt, ist ja nicht da. Es gibt ja keine Alternative. Die Alternative, über die derzeit diskutiert wird, wir könnten irgendwo mal irgendwann mal irgendwie etwas suchen, ist eine aus meiner Sicht gefährliche Strategie, denn sie bedeutet eigentlich, nichts zu haben. Jetzt kann man zwar argumentieren, man möchte ja damit auch den Ausstieg begründen, das ist ja auch der ideologische Link, den ich versuche, hier herauszuarbeiten, aber das reicht natürlich nicht, denn wir haben tatsächlich einen Bedarf dafür eine Lagerung vorzunehmen und zwar aus meiner Sicht und der vieler vieler vieler Experten, auch derer die ich als sehr vertrauenwürdig einschätze, auch der Mehrzahl, die sagen, das ganze ist gesichert und deswegen glaube ich ist der Weg den wir gehen vorsichtig, da haben Sie schon recht, vorsichtig, step by step, jetzt nichts überhetzen, auch nicht in blinder Euphorie, sondern mit gesicherter wissenschaftlicher Begleitung, den halte ich für seriös.“

Frage einer Anruferin nach der Entsorgung von abgeschalteten Atomkraftwerken, von verstrahlten Gebäudeteilen.

M: „Die Anruferin hat das Thema jetzt erweitert. Wir haben über das Endlager diskutiert, aber es stellt sich ja auch die Frage, was passiert wenn ein Atomkraftwerk abgeschaltet wird und dann abgebaut werden muss. Herr Söder, haben Sie sich mit der Frage auch schon beschäftigt?“

S: „ Also es ist so dass wir das ja nicht wollen, politisch gesehen, zunächst einmal.“

M: „Aber es ist jetzt erstmal festgeschrieben bis 2021.“

S: „Ja, aber das ist ja absolut veränderbar, beispielsweise nächstes Jahr durch die Bundestagswahl – oder durch die Realität. Sie werden es relativ klar erleben, dass wir wenn wir den Ausstieg der ersten Kraftwerke propagieren werden, das Problem haben, dass wir einen erheblichen Preisanstieg im Strom bekommen werden, das muss jeder wissen. Wenn ein kalter Winter kommt, wie wir es sowieso die Situation haben dass wir ja wegwollen von Öl und Gas, das kann ja nicht die Alternative sein, übrigens sind da jetzt die Preissprünge noch deutlicher zu erwarten, wenn man mal die längeren Zeitentwicklungen nimmt, ganz eindeutig, dann bedeutet das im Zweifelsfall Erhöhung von Strompreisen.“

M: „Gut, aber um auf die Frage der Anruferin zurückzukommen, irgendwann ist ein Atomkraftwerk soweit dass es abgebaut werden muss, was macht man dann mit den ganzen strahlenden Materialien?“

S: „Ja, dafür sind die sind die Betreiber dann zuständig, dies dann genau nach gesetzlichen Vorschriften zu machen, damit das ganze in der Tat ganz sicher stattfindet und auch die Kosten sind dafür entsprechend zu tragen...“

M: „Aber jetzt mal abgesehen von den Kosten muss man ja auch diesen Atommüll irgendwo hinschaffen. Gibt es da schon Szenarien?“

S: „Äh aus unserer Sicht ist ja klar, dass der Ausstieg aus der ganzen Kernenergie der falsche Weg ist. Deswegen... es wird auch in vielen nicht nur in dieser Frage zu erheblichen Probleme führen. Darüber ist überhaupt nicht nachgedacht worden, auch von denen nicht die den Ausstieg propagiert haben, das muss man so sehen. Weder auf die Frage was passiert damit noch auf die zweite Frage, wie denn dann der Strom versorgt.......“

M unterbricht: „Aber man muss sich doch schon mal Gedanken drüber gemacht haben, denn es ist ja klar, dass jedes Atomkraftwerk irgendwann mal abgeschaltet werden muss wenn es dem technisch neuesten Stand nicht mehr entspricht, oder?“

S: „Wenn Sie mich noch kurz zu Ende sprechen lassen, dann in der Tat, aber da wird sich keine Gedanken gemacht vom Bundesministerium... da gibt es eine rein ideologische Botschaft, deswegen auch in der Praxis alles schwer umsetzbar. Und man wird auch sehen dass dieser Gesamtbeschluss am Ende von der Realität eingeholt werden wird, da bin ich mir ganz sicher."

M: „Gut, aber muss denn das jetzt das Bundesumweltministerium machen oder ist das nicht Aufgabe der Betreiber?“

S: „Na zunächst mal sind die zuständig die den Ausstieg machen wollen, dafür Pläne vorzulegen, wie es weitergehen soll, sowohl mit Energieversorgung als auch mit allen Begleiterscheinungen.“

M: „OK. Jetzt ist ein anderer Anrufer dran. Auch Sie können noch kurz mit Herrn Söder diskutieren, dann muss er glaub ich weg, oder, wie ist das Herr Söder?“

S: „Ja, ich müsste eigentlich schon weg.“

M: „Sie müssten eigentlich schon weg. Haben Sie noch eine Minute Zeit?“

S: „Eine Minute hab ich noch.“

Anrufer: “Sie haben irgendwann im Juli diesen Jahres mal gesagt, dass es der CSU bzw. Ihnen nicht um die Atomkraft per se gehe, sondern um die damals noch sehr hohen Strompreise und Sie haben postuliert, je weiter die Energiepreise steigen, desto mehr Menschen wenden sich wieder der Atomenergie zu. Jetzt haben wir in den letzten Monaten einen 50% igen Rückgang der Energiepreise gesehen, wie vermitteln Sie jetzt den Bürgern - mittlerweile sind sie ja Umweltminister - noch die Rechtfertigung aus wirtschaftlicher Hinsicht was die Preise betrifft?“

S: „Der hauptsächliche Ansatz ist der Klimaschutz. Der hauptsächliche Ansatz für die Beibehaltung der Kernenergie kann ja nur der Klimaschutz sein als eine weitgehend CO2-freie Technologie... Wenn wir aus der Kernenergie aussteigen sind alle vergleichbaren Szenarien die wir haben, man kann das ja von A bis Z durchspielen, insbesondere was die Quantität betrifft, des Ersatzes, nicht die Qualität aber die Quantität, lässt sich nur über den Einstieg in Kohle machen oder Öl und das kann ja nicht der Weg sein. Also ist der Hauptbegründung für den Beibehaltung der Kerntechnologie im wesentlichen erstens der Klimaschutz und das zweite ist natürlich die Energiepreise insgesamt verstetigen sich ja weiter nach oben. Sie haben zwar recht dass es jetzt ein wenig nach unten gegangen ist, aber dass der generelle Trend der letzten Jahre nach oben ging und auch weiter nach oben gehen wird ist aus meiner Sicht leider – ich sage das bewusst leider – klar, da gibt´s verschiedene Stellschrauben die dafür verantwortlich sind, unter anderem auch das Verhalten der Konzerne übrigens selbst, über das man reden muss, das ist aber ein eigenes Thema, aber generell steigt es weil eben die Nachfrage größer ist als die Produktion, logischerweise, das Angebot, und deswegen bleibe ich dabei, die Kernenergie ist als Übergangs-, als Brückentechnologie deutlich länger als das was dieser Atomausstieg vereinbart hat einfach notwendig, um das Niveau zu halten, sowohl klimaorientiert als auch ökonomisch.“

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Nachzuhören und Downzuloaden als Podcast auf der Website von Bayern 2.
www.bayern2.de, Podcasts, Tagesgespräch vom 10.11.2008

Wir lernen unter anderem:

- Temelin ist unsicher, sagt Herr Söder. Es ist 60 km von der bayerischen Grenze, dem Revier von Herrn Söder, entfernt. Potentielle Todeszone Bayerwald. e.on bezieht Strom von dort. Da hat der Herr Söder nix dagegen.

- Die laufenden Untersuchungen in Gorleben haben uns Stromzahler bisher 1,5 Mrd. Euro gekostet, sagt Herr Söder. Der letzte Castor-Transport nach Gorleben kostete mal eben 23 Millionen Euro. Von den Krebskranken und Toten in den Uran-Abbaugebieten redet sowieso nie jemand, die interessieren nicht. Aber Atomkraft ist "preiswert" und "ökologisch"...

- Es geht um Klimaschutz, sagt Herr Söder. Der CSU geht es nur um Klimaschutz. Beim weltmeisterlich großzügigen Straßenbau allerorts auch? Und beim Flughafenausbau? Und bei der Verlagerung des Gütertransports von der Schiene auf die Straße - durch komplette Vernachlässigung der Bahninfrastruktur?

- Wir steigen besser nicht aus der Kernkraft aus, weil wir nicht wissen, wohin mit den verstrahlten Atomkraftwerken. Sagt Herr Söder.